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AUTISMUS und die SACHE mit der ANGST - Druckversion

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AUTISMUS und die SACHE mit der ANGST - Andi - 05.09.2021

Viele unserer autistischen Kinder leiden im Alltag unter (enormen) Ängsten. Sie haben Angst etwas falsch zu machen oder andere Menschen zu verletzen, 
Angst davor (negativ) aufzufallen, den Ansprüchen der anderen (oder auch der eigenen) nicht zu genügen, 
Angst vor ihren eigenen Gedanken und Gefühlen, Angst vor Kritik, Verurteilen und Beschimpfungen, 
Angst vor Mobbing und körperlichen Übergriffen, Angst vor dem (persönlichen) Scheitern, 
Angst vor Veränderungen, Strukturlosigkeit, Spontanität oder auch Unplanbarkeit, ja manchmal auch Angst vor den Menschen selbst, ihren Erwartungen und Anforderungen an sie,
dem sozialen Miteinander…

Die Ursachen hierfür sind vielfältiger Natur und sicherlich auf der einen Seite im Autismus selbst begründet bzw. zu suchen. 
So führen bekanntermaßen die andere Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen zu Chaos im Kopf, 
das nach außen hin abweichende Kommunikationsverhalten sowie ihre Verhaltensbesonderheiten im sozialen Miteinander häufig zu Missverständnissen, 
Fehlinterpretationen und damit faktisch zu dem Misslingen sozialer Kontakte. 
Fehlt hier der/die entsprechende Übersetzer*in oder auch eine adäquate Begleitung und Unterstützung, werden unsere Kinder ins soziale Abseits katapultiert und scheitern letzten Endes an sich selbst.
Eine weitere wichtige Ursache sind jedoch die mangelnde Akzeptanz ihrer Besonderheiten und Andersartigkeiten, ihre individuellen (häufig negativen) Erfahrungen und das fortwährende Scheitern unserer Kinder innerhalb der Gesellschaft. Mit jeder Kritik, Ablehnung oder Verurteilung, jeder Therapie oder auch Intervention, die lediglich auf soziale Anpassung und damit Veränderung unserer Kinder ausgerichtet ist, werden diese ein wenig unsicherer und ängstlicher. 
Ihnen wird damit suggeriert, dass sie nicht gut genug sind, wie sie sind, dass sie als Mensch nicht genügen und sich deshalb verändern müssen, um von der Gesellschaft akzeptiert und anerkannt zu werden. 
Ihre individuellen Einschränkungen und begrenzten Ressourcen spielen in diesem Kontext scheinbar kaum eine Rolle.
Auch der Umgang mit der Angst kann bei unseren autistischen Kindern wiederum ganz unterschiedliche Formen und Verhaltensweisen annehmen, 
weshalb die Ängste beim Gegenüber häufig auch gar nicht erkannt/gesehen werden bzw. offensichtlich erscheinen. 

Die Reaktion auf Angst ist in unserem Gehirn festgelegt und verläuft damit häufig auch automatisiert nach dem „Säbelzahntiger-Prinzip“:
FLUCHT: Unsere Kinder laufen weg oder tun alles, um sich den angstmachenden Situationen zu entziehen. Sie laufen ihrer Angst davon, verschwinden tut sie damit aber leider nicht. 
Ganz im Gegenteil: Mit jeder Flucht wird die Angst meist ein wenig größer.

KAMPF: Manchmal sind gerade ängstliche und verunsicherte Menschen besonders laut und poltrig. Kinder, die am lautesten Schreien und damit nach außen hin in ihrer Persönlichkeit selbstbewusst und stark erscheinen, haben häufig die größte Angst. Sie kämpfen äußerlich und innerlich gegen eine mächtige Gegnerin (ihre Angst), der sie scheinbar nicht besiegen können.

ERSTARRUNG: Unsere Kinder reagieren in diesen Momenten mit Rückzug, schotten sich durch stereotypes Verhalten völlig ab, sind teilweise von der Außenwelt nicht ansprechbar. Dieses Verhalten wird jedoch häufig von außen als widerständig und provokativ wahrgenommen, obwohl sich diese Kinder faktisch für die Außenwelt „totstellen“ oder auch „verschwinden“ wollen, in der Hoffnung, die Angst/die Gefahr werde sie nicht finden und damit an ihnen vorüberziehen.

Die Auswirkungen und Konsequenzen auf die Familien und damit auch auf uns Eltern und die Geschwisterkinder sind immens und bleiben leider häufig im Verborgenen. 
Wir tun damit im Alltag alles, um unseren Kindern den notwendigen Schutzraum zu geben, ihnen Halt und Sicherheit zu vermitteln und vor allem Verständnis für sie zu zeigen. 
Hierbei stoßen wir jedoch auch immer wieder an unsere persönlichen (Belastungs)Grenzen und müssen darauf achten, gut für uns zu sorgen, 
um dauerhaft die Herausforderungen des Alltags bewältigen zu können. 
Verständnis oder Anerkennung erhalten wird innerhalb der Gesellschaft dafür nur sehr selten, 
ganz im Gegenteil geraten wird durch unser Verhalten immer wieder in Erklärungs- und Rechtfertigungsnöte gegenüber Dritten. 
Die Ängste unsere autistischen Kinder bleiben jedoch bestehen und wir als Eltern stehen ihnen häufig ohnmächtig und hilflos gegenüber.
UNS FEHLEN LETZTLICH DIE INSTRUMENTE, DEN SÄBELZAHHNTIGER DAUERHAFT ZU ZÄHMEN.

Blush